Schleimige Freundlichekeit...


Dann lass doch einfach deine schleimige Freundlichkeit gehen...

Eine Klientin war aufgrund ihrer chronisch verschleimten Bronchien zu mir in die Beratung gekommen. Da von ärztlicher Seite alles abgeklärt war, war es ihr wichtig, dieses Thema auch einmal auf der seelischen Ebene zu beleuchten. Eine vermehrte Schleimbildung im Körper steht aus psychosomatischer Sicht für „Schutz“ und außerdem zeigt sie eine „ Reinigungssreaktion“ des Körpers auf.

Als ich während der Beratung, den Satz „dann lass doch einfach deine schleimige Freundlichkeit“ gehen“ aussprach, da löste dieser Satz eine heftige Reaktion bei dieser Klientin aus.
An ihrer Mimik und Reaktion war klar abzulesen, dass ihr dieser Satz, in Mark und Bein fuhr und sie stark in Resonanz damit ging.

Ricarda: Was löst dieser Satz gerade bei dir aus?

Nach einer länger Pause antwortete sie:
Im ersten Moment fühle ich mich durch diesen Satz angegriffen und auch abgelehnt und ich spüre das ich ihn persönlich nehme.
Und dann macht sich eine große Traurigkeit in mir breit.
Und ja, ich frage mich? Was, ich soll schleimig freundlich sein?
Ich, die immer alles ausspricht was sie denkt und fühlt?
Dieser Satz rüttelt ganz schön in mir.
Ich hinterfrage sofort meine Gedanken und meine Gefühle und auch mein Handeln.
Alles Mögliche schießt mir gleichzeitig durch den Kopf und die unterschiedlichsten Gefühle steigen in mir auf.
Und ich spiele alle möglichen Begegnungen und Situationen in meinen Gedanken durch.

Ricarda: Was hat diese „schleimige Freundlichkeit“ mit dir zu tun?

Warum gehst du so in Resonanz damit?

Darauf hin antwortet sie:
Ich empfinde mich nicht als „schleimig freundlich“.
Ich empfinde mich als ehrlich und authentisch.
Das war und ist mir immer sehr wichtig und ja, viele Menschen schätzen mich genau deshalb so sehr.
Natürlich gab es auch Menschen, die mit dieser Klarheit und Ehrlichkeit nicht zurechtkamen und ja, einige haben sich deshalb auch schnell aus meinem Leben verabschiedet.
Tief in meinem Inneren aber gab es eine Stimme, die mich immer wieder ermutigte, weiterhin ehrlich und authentisch zu sein. Ich wollte mir keine Maske aufsetzen, nur um jemanden zu gefallen.

Ricarda: Aber was bedeutet „schleimig freundlich“ überhaupt für dich?, frage ich sie.
Wie definierst du diesen Begriff für dich?

Darauf hin antwortet sie:
Für mich bedeutet „schleimig freundlich“ zu sein - unehrlich und nicht authentisch zu sein.
Schleimig zu sein, eine Freundlichkeit zu leben, die nicht ehrlich gemeint ist.
Es bedeutet für mich, mir eine Maske aufzusetzen und lieb und nett zu sein, obwohl ich etwas ganz anderes in mir fühle. Ich spiele bewusst eine Freundlichkeit vor, obwohl ich in diesem Moment gar nicht freundlich sein will.

Ricarda: Aber kannst du dir absolut sicher sein, das All das hinter dem „schleimig freundlich“ sein steht?, frage ich sie.
Bist du denn wirklich gleich unehrlich und nicht authentisch, wenn du freundlich und klar bleibst, einen Schritt zurücktrittst und auch mal nicht alles bewusst aussprichst was du dir denkst und was dir auf den Lippen liegt?
Kannst du dir sicher sein, das „schleimig freundlich“ zu sein – automatisch bedeutet – unehrlich und nicht authentisch zu sein?

Dann lasse ich meine Erkenntnis über die „schleimige Freundlichkeit“ in unser Gespräch einfließen und ich erkläre ihr:
Ich finde, dass es sehr auf die Situation und auf das Gegenüber ankommt.
Ich finde es wichtig sein eigenes Verhalten, aber auch das des Gegenübers zu hinterfragen.
Wie verhält er oder sie sich?
Ist derjenige offen für die Wahrnehmung des anderen, für dessen Reflexion und auch sein Hinterfragen?
Ist er offen, für dessen Denken, Fühlen und dessen Meinung und Anschauungen?
Ist er bereit, sich zu selbst zu reflektieren und jedem das seine zu lassen, ohne in ein Opfer- oder Täterverhalten zu fallen?
Ist er bereit, sich ganz und gar auf den anderen und auf sich selbst einzulassen?

Es ist wichtig, dem allem nachzuspüren, denn nur so kann jeder für sich bewusst wahrnehmen ob Bereitschaft da ist, sich dem anderen ganz und gar zu öffnen und sich auf ihn einzulassen.

Ist diese Bereitschaft nicht da, dann darf jeder für sich entscheiden, ob er sich freundlich zurückziehen und weitergehen möchte.

Ich finde dieses bewusste Hinterfragen und Beleuchten dieser „schleimigen Freundlichkeit“ sehr wichtig, denn so darf man diese falsche Verknüpfung erkennen.
„Schleimig freundlich“ zu sein, bedeutet nicht automatisch – unehrlich und nicht authentisch zu sein.

Man muss nicht immer um jeden Preis seine Impulse und Gedanken, seine Meinungen beim anderen aussprechen, wenn man spürt das beim anderen die Bereitschaft zur Reflexion nicht da ist.
Man muss sich nicht immer für den anderen als Spiegel, oder vielleicht sogar als Zielscheibe zur Verfügung stellen, wenn man spürt, er ist nicht bereit dazu.
Und ja, man darf alle seine Gedanken und Gefühle für sich behalten, wenn man spürt, dass es besser so ist.
Es ist nicht immer unsere Aufgabe, den anderen auf etwas aufmerksam zu machen.
Nein, das ist es nicht.
Man darf immer wieder aufs Neue entscheiden, ob man sich freundlich und bestimmt zurückziehen möchte oder ob man bereit ist, sein Herz zu öffnen, für ein offenes sich aufeinander einlassen.
Und das in jedem einzelnen Moment.

@Text:Ricarda Langl